Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán | Foto bearbeitet

Orbán | Unchristlicher Europa-Zerstörer

Es bleibt eine ungeheuerliche Tatsache: Ungarns Premier Orbán und dessen Partei Fidesz sind Geschwister von CSU und CDU. Sie sitzen gemeinsam in der selben politischen Gruppe im Europäischen Parlament. Was ist Orbán für ein Mann, der zwar das Christentum hochhält, Flüchtlinge aber als Invasoren bezeichnet? Und sich selbst als illiberal beschreibt.

TS|BN 10. August 2018 Wie üblich in der zweiten Julihälfte, so war Orbán auch dieses Jahr an der Sommeruniversität in Băile Tușnad in Rumänien. “Le Soir” schreibt, dort habe er Vertreter der identitären Sektierergruppe “Schild & Vrienden” getroffen. Diese belgischen Extremisten bezeichnen sich selbst als “nationalistisch” und verunglimpfen Menschenrechtler als “linke Ratten”. Alles nachzulesen und nachzusehen auf ihren Online-Foren. Mit solchen Leuten umgibt sich Orbán nicht nur. Er unterstützt sie ohne jede Hemmung. Ganz offen. Mit breitem Grinsen.

Der illiberale Antichrist des 21. Jahrhunderts

Orbán ist nicht nur ein selbsternannter Illiberaler. Zudem wird er längst als Anti-Christ bezeichnet. Man muss nur zuhören und lesen, was er von sich gibt. Sein geheucheltes „christliches Abendland“, das sich gegen „muslimische Invasoren“ schützen müsse, spricht allem Hohn, was Jesus gesagt, gemeint und gewollt hat. Wenn es um seine anti-europäische Agenda geht, versteht Orbán keinen Spaß.

Die Internetseite noktara.de ist nicht nur Insidern für ihre Späße und ihre Satire bekannt. Ähnlich wie der „Postillion“ veralbert sie Politik, Kultur, Religion. Sie setzt dabei auf scheinbar seriöse Meldungen; ihr Sprach- und Schreibduktus ist scheinbar nachrichtlich.

Fake-News bei Orbán staatlich verordnet

Zu Beginn des muslimischen Fastenmonats Ramadan meldete noktara, der Stadtrat von Essen habe den eigenen Stadtnamen von „Essen“ in „Fasten“ umbenannt. Dies sei durch Eilbeschluss nach dem gemeinsame Fastenbrechen geschehen, mit Rücksicht auf die Muslime. Die Betreiber dieser Satireseite haben allesamt einen sogenannten „Migrationshintergrund“. Ethno-Satire bezeichnen sie selbst das, was sie anbieten. Man könnte über diesen Witz zum Ramadan schmunzeln oder auch nicht, dann aber wieder zur Tagesordnung übergehen. Nicht so die vom Regime in Budapest kontrollierten Medien. 

In der Nachrichtensendung “M1 HÍRADÓ” wurde diese „Meldung“ allen Ernstes als weiterer Beleg für die „Islamisierung Deutschlands“ herangezogen. Hier kann man sich davon überzeugen. Auch wer kein Ungarisch versteht, erkennt die Absurdität.

Betrieben wird der Sender MTVA vom Staat, also von Orbán und dessen Medienschergen. Diese Art der Vermischung von Realität und Propaganda hat in Ungarn System. Es ist eine von dem Anti-Christen Orbán geförderte, skrupellose Fake-News-Methode.

Wenn Orbán heutzutage von einem freien Land spricht, meint er eins wie seins. Es ist ein Ungarn frei von Muslimen, frei von dunkelhäutigen Leuten aus aller Herren Länder, die sein kleines Land bedrängen könnten. Seine politischen Gegner sprechen längst von „Viktatorship“, einer „Viktatur“. Das scheinen CSU und CDU nicht sehen und hören zu wollen.

Gleiche Begriffe, unterschiedliche Inhalte

Die liberale Demokratie als Politikkonzept hat für den „Viktator“ ausgedient. Begriffe wie Stolz, Selbstbestimmung, Nation, christliches Abendland oder Tradition flirren pausenlos durch Lautsprecher, Radios und Fernsehstudios, durch das Internet und über Marktplätze. Für Europa hat er nur Hohn und Spott übrig. „Stoppt Brüssel!“ war die Überschrift einer monatelangen, gigantischen Schmutzkampagne gegen dieses beispiellose Friedensprojekt.

Plakat in ungarischer Sprache, das den orginalen Text der Regierung mit
Protest gegen die “Diktatur”| Foto: Tom Rübenach

Dabei verstehen er und seine Partei sich selbstverständlich als Christen. Sie beten öffentlich, bekreuzigen sich, gehen viel in die Kirche und lassen sich dabei filmen. Nach seiner Wiederwahl im Mai postulierte Orbán kurz und bündig das „Ende der liberalen Demokratie“. Im Nachbarland Österreich leidet die rechtsradikale FPÖ darunter, nicht die absolute Mehrheit zu haben. Laut „Die Presse“ rief Vizekanzler Strache seinen Parteifreunden zu: „Hätten wir die absolute Mehrheit, na ja, dann könnten wir es wie Orbán machen. Aber diese haben wir nicht.“ Die FPÖ sieht sich als Vertreterin eines demokratischen Staates; freilich eines, der „umgebaut“ werden müsse.

Worauf warten wir Demokraten eigentlich noch?

Man muss den Eindruck gewinnen, dass sich die Verfechter der liberalen Gesellschaft permanent im Verteidigungsmodus befinden. Joachim Gauck konstatierte in seiner letzten Rede als Bundespräsident: “Die liberale Demokratie und das politische und normative Projekt des Westens, sie stehen unter Beschuss.“ Das ist anderthalb Jahre her. Inzwischen sitzen Orbáns Gesinnungsgenossen von der AfD im Bundestag. Im Europaparlament indes  sitzen die Unionsparteien mit ihm zusammen in einer gemeinsamen Fraktion.

Die Menschenrechtsorganisation „Human Rights Watch“ (HRW) ruft in diesen Wochen dazu auf, die Kooperation zu beenden. Das ist beispiellos. In der HRW-Kampagne heißt es, schlicht und einfach:

„Fidesz befeuert mit fremdenfeindlichen Parolen die Diskriminierung von Migranten und versucht, NGOs mundtot zu machen. Wollen CDU/CSU-Politiker in der Europäischen Volkspartei (EVP) wirklich, dass sich solche Ansichten und Werte innerhalb der EU verbreiten?“

Zitiert nach “Human Rights Watch”

Bedarf es ernsthaft des Hinweises von Menschenrechtsorganisationen, um Orbán als Autokraten zu entlarven? Als unchristlichen Europa-Zerstörer? Wo sind hierzulande die wortgewaltigen Demokraten in den entsprechenden Parteien und Fraktionen? Warum bleiben die unabhängigen und nur ihrem Gewissen verpflichteten Abgeordneten und Mandatsträger nur so leise? Im Angesicht eines drohenden und teils schon existierenden roll back müsste es parteiübergreifende Initiativen längst geben. Ebenso laut und ebenso einfach kommuniziert, wie es die Feinde der liberalen Demokratie tun, tagaus, tagein.

Die Mörder der Liberalität

Diese Fragen stellen sich nicht erst seit den Erfolgen der sogenannten AfD und dem Aufkommen populistischer Bewegungen in Europa. Fareed Zakari dürfte derjenige sein, der als Erster den Begriff der „illiberalen Demokratie“ in die politische Debatte eingeführt hat. Er schrieb bereits vor über zwanzig Jahren:

„From Peru to the Palestinian Authority, from Sierra Leone to Slovakia, from Pakistan to the Philippines, we see the rise of a disturbing phenomenon in international life — illiberal democracy.“

(Quelle: Essay, „The Rise of Illiberal Democracy“ by Fareed Zakari. Foreign Affairs, November/December 1997 Issue).

Warum also gelingt es nicht, die Mörder der Liberalität zu stellen? Jene, die Ängste schüren, die nicht real begründbar sind? Und jene, die uninformierten Bürgern auf einfache Art nachweisen, dass die Orbáns dieses Kontinents auch ihnen schließlich die Freiheit nehmen würden? 

Zu beobachten ist eine finstere Melange aus erzkonservativen und rückwärtsgewandten Zeitgenossen, die sich Christen nennen. Wer behauptet, das „christliche Abendland“ zu verteidigen, aber gleichzeitig Minderheiten diskreditiert, verhält sich unchristlich. Wer das „christliche Abendland“ als unsere kulturelle Identität bezeichnet und Andersgläubige als Invasoren bezeichnet, ist ein Anti-Christ. Derlei Widersprüche gibt es so viele, das sie hier keinen Platz mehr finden.

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